Persönlich.
Schmuck muss die Persönlichkeit des Künstlers widerspiegeln, durch kraftvolle und einzigartige Ausstrahlung fesseln, das Charisma seines Trägers unterstreichen. Als Schmuckdesignerin und Galeristin suche ich stets Schmuckkünstler, die diesem hohen Anspruch gerecht werden und in ihrer Arbeit Innovation und Spannungsreichtum zeigen, sowie den Mut haben neue ungewöhnliche Wege zu gehen.
Isabella Hund (Foto © Ulrike Myrzik)
Biographie
1955 geboren in Karlsruhe
1976-82 Studium an der Fachhochschule für Gestaltung, Pforzheim
1982 Rotary Stipendium, 3 monatiger Arbeitsaufenthalt in London
1983-84 Fulbright Stipendium USA, Postgraduate Studium an der San Diego State University, Kalifornien
1984-85 Lehrauftrag für Kunst und Design an der San Diego State University, Kalifornien
1988-96 Galerie und Werkstatt in München, Neuhausen
seit 1997 Galerie Isabella Hund, Schmuck, Frauenplatz 13, 80331 München
Ausstellungen
1983 Stuttgart, Kunstakademie, Hamburg, “Koppel 66”
1984 San Diego, USA, South Western College Gallery, San Francisco, USA, Crafts Museum, San Diego, USA, Imperial Bank Tower
1985 Emporia, USA, State University, Pforzheim, Schmuckmuseum
1988 Schwäbisch Gmünd, Galerie Parterre,
1989 Hamburg, Galerie Hilde Leiss, Nijmegen, Holland, Galerie Marzée, Düsseldorf, Galerie UND
1990 Frankfurt, Museum für Kunsthandwerk, München, Stadtmuseum
1991 Köln, Stadtmuseum
1992 München, Bayerische Versicherungskammer
1993 München, Stadtmuseum
1994 Galerie Tiller, Wien
1995 Aalborg, Dänemark, Nordjylland, Kunstmuseum
1999 Hamburg, Galerie Hilde Leiss
Birgit Jakobs im Gespräch mit Isabella Hund
Wenn Sie jemanden kennenlernen, fällt Ihr Blick dann zuerst auf den Schmuck?
Ja, immer. Ich beschäftige mich schon so lange mit Schmuck – da schaue ich unweigerlich hin, was jemand trägt. Es ist spannend, zu erleben, wie sich eine Frau schmückt. Das drückt ihre Persönlichkeit aus. Und ich weiß, was Schmuck leisten kann, welchen Ausdruck er erzeugen kann. Aber ich versuche immer, endgültige Wertungen zu vermeiden.
Mit welchem Schmuck haben Sie sich zum ersten Mal geschmückt?
Meinen ersten Ring hat mir mein Bruder zu Weihnachten geschenkt, da war ich 14 oder 15. Es war eine Gemme, ein Achat mit weißem Elfenbein, eine Art Wappenring. Aber als Kind habe ich mich überhaupt nicht für Schmuck interessiert, das kam viel später. Ich war viel mehr auf Zeichnen versessen. Stets trug ich ein kleines Köfferchen mit Stiften herum – und habe überall gezeichnet.
Später, als Sie in der Branche etabliert waren, haben Sie dann für sich den passenden Schmuck entworfen?
Nein. Selbst als ich Schmuckdesign in Pforzheim studierte, habe ich keinen Schmuck getragen – und auch nicht für mich produziert. Es war eine Art Kunstform, nichts zu tragen. Ich war so begeistert von der Kunst, der Malerei, darauf habe ich mich im Studium konzentriert und Schmuck eher als Nebensache, als notwendiges Übel, gesehen.
Wann hat sich das geändert?
In London, wo ich Anfang der 1980er Jahre ein Stipendium hatte. Das brachte für mich die Befreiung. Dort arbeiteten alle mit unedlen Metallen, nicht mit Silber, Gold und Steinen – was ich vorher als sehr konservativ abgelehnt hatte. Damals entstand die Arbeit „Blue Wave with diamond“, ich habe Aluminium blau eloxiert und dann einen Diamanten hineingesetzt. Es ging mir immer um das Künstlerische. Meine Abschlussarbeit waren verrückte, unkonventionelle Halsreifen. Ich habe mich langsam hingearbeitet zum Thema des zeitgenössischen Schmucks, wie ich ihn heute zeige.
Von London aus gingen Sie in die USA, nach San Diego. Das beherrschende Gefühl damals: Freiheit und Experiment, New Wave und Punk. Haben Sie diese Jahre geprägt?
Ich bin unendlich dankbar für diese Zeit. Ich war Mitte 20, fühlte mich frei und war offen für alles. In Amerika war ich vor allem vom kalifornischen Licht begeistert und habe unheimlich viel gemalt. Das war auch die Zeit von Performances. Einmal habe ich „Shaving Cream Jewellery“ gemacht – Schmuck, der für eine Stunde hält. Armbänder, Halsreifen, Ringe, alles war mit Rasiercreme aufgespritzt. Wenn die Leute nach der Vernissage gingen, haben sie auch noch gut gerochen! Die Offenheit, das Experiment, das alles hat mir sehr gut getan. Es befreite mich von der gutbürgerlichen Erziehung, von der Enge. Ich habe in dieser Zeit nicht ans Geldverdienen und an eine Karriere gedacht – sondern gelebt, gelernt und den künstlerischen Spirit aufgesogen.
In vielen Porträts wird „Konsequenz“ als Ihre Haupteigenschaft genannt. Gelobt wird Ihre klare Linie. Hat diese kreative, wilde, angelsächsische Zeit die Basis dafür gelegt?
Diese Konsequenz hatte ich immer. Bauhaus hat mich fasziniert: die Strenge, die Klarheit. Beim Schmuck machen muss man sich konzentrieren. So habe ich zum Beispiel immer gerne rechte Winkel gefeilt. London, Amerika – das war dann wieder die Befreiung von den rechten Winkeln.
Sie sind sowohl Galeristin als auch Designerin. Sie fördern unbekannte Künstler und sind andererseits erfolgreiche Geschäftsfrau. Was reizt Sie an dieser Aufgabenvielfalt?
Sehr viel. Mehrdimensionalität ist schön. Ich finde es toll, nach 20 Jahren als Goldschmiedin nicht nur selbst am Brett zu sitzen, sondern meine eigenen Ideen auch umzusetzen. Es erfüllt mich, als Galeristin tolle Künstler zu finden und sie auszustellen. Ich brauche diese Vielfalt. Die habe ich mir über die Jahre hinweg sozusagen zurechtgefeilt.
25 Jahre Isabella Hund – viele Schmuckgeschäfte schaffen nicht einmal die Hälfte der Zeit. Was macht den Unterschied aus?
Schwer zu beantworten. Ich habe mich nie an anderen gemessen. Und mein Weg ging auch nicht immer nur steil bergauf. Es gab am Anfang Phasen, in denen es ganz bescheiden lief und ich nicht wusste, wie ich meine Miete zahlen soll. Aber wenn keine Kundschaft kam, da konnte ich immer in meine Werkstatt gehen und produzieren. So gingen auch schwierige Tage vorbei, und ich konnte mich parallel weiterentwickeln. Das hat mich durchhalten lassen. Ich habe mir selbst Aufgaben gestellt und mir spezielle Produktionen vorgenommen. Die Stücke mussten ja nicht sofort verkauft werden.
Sie setzten also auf den Faktor Zeit?
Das ist auch ein Aspekt an der Arbeit mit Schmuck, der mir sehr gefällt: die Langlebigkeit der Stücke. Guter Schmuck ist zeitlos. Und wenn er Ihnen nicht mehr gefällt, können Sie ihn einschmelzen oder umarbeiten. Das finde ich phantastisch. Zeitlos zu sein, und doch mit der Zeit gehen zu können. Der Neuanfang ist immer möglich.
Sie verweisen gern auf Donald Judd, den wichtigsten Vertreter des Minimalismus. Wann kamen Sie zum ersten Mal mit seiner Arbeit in Berührung?
Früh in meiner Laufbahn, aber erst vor fünfzehn Jahren kam er mir richtig ins Bewusstsein. Mich haben Judds Edelstahlobjekte tief berührt und geprägt. Beim Ausgestalten meiner Galerie am Frauenplatz habe ich die Architekten darauf hingewiesen, dass mir dieser Künstler besonders am Herzen liegt.
In den jüngsten Ausstellungen in Ihrer Galerie haben Sie die ganz strenge Linie etwas aufgebrochen. Sie zeigen verspielteren, poetischen Schmuck, der eine Geschichte erzählt. Tribut an den Zeitgeist – oder nach 25 Jahren eine weichere Isabella Hund?
Ganz pragmatisch: Es gibt nicht mehr so viele Künstler, die die strenge Linie konsequent vertreten oder neu interpretieren. Und es gibt neue Strömungen im zeitgenössischen Schmuck, dem wollte ich mich nicht verschließen. Ich sehe die Qualität der neuen Richtung und habe durchaus einen Zugang dazu.
Gilt für Sie persönlich immer noch die vom Architekten Ludwig Mies van der Rohe verbreitete These: Weniger ist mehr?
Unbedingt! (lacht). Aber in meinen Ausstellungen und als Galeristin erlaube ich mir die Freiheit, Künstler zu zeigen, die frei von Strenge experimentieren. Das habe ich vor zwanzig Jahren auch getan.
Zeitgenössischer Schmuck braucht starke Persönlichkeiten. Klischee oder Wahrheit?
Wahrheit. Das sehe ich an meinen Kunden. Manche von ihnen gehen das Wagnis ein, bei mir etwas zu kaufen, was andere noch belächeln! Das Phänomen kennen wir aus jeder Epoche: Avantgarde ist Avantgarde. Später wird es Allgemeingut und ist nicht mehr besonders. Meine Kunden sind oft selbständige, im Beruf erfolgreiche Frauen, die sich mit Schmuck darstellen wollen. Und die gerne aufklären, wenn sie jemand auf eine auffällige Kette anspricht. Diese Frauen sind natürlich stark.
Würden Sie sich als Botschafterin für zeitgenössischen Schmuck bezeichnen?
Das klingt mir zu groß. Ich bin Vermittlerin für Schmuck. Mir macht es Spaß, vom Schmuck und seinen Künstlern zu erzählen. Da stehen ja Menschen dahinter, große Ideen, eine künstlerische Karriere. Über allem steht die Qualität. Ich arbeite heute überwiegend mit Gold, Silber, Platin – und da zählt die handwerkliche Präzision, dass ein Schmuck perfekt gearbeitet ist. Das ist mir wichtig.
Sammeln Sie selbst Schmuck?
Ja. Ich kaufe Künstler, die ich schätze und die mich die letzten 25 Jahre begleitet haben. Das macht mir viel Freude. Inzwischen kann ich mit meinem Schmuck eine Zeitreise machen, denn natürlich ordnen sie den Stücken einen bestimmten Lebensabschnitt zu. Die Sammlung erzählt eine Geschichte.
Architektur hat wie Schmuck eine eigene Sprache. Ihre Galerie wurde in den einschlägigen Magazinen euphorisch besprochen. Welche Geschichte erzählt diese Galerie ihren Kunden?
Die Galerie in ihrer Strenge, Klarheit, Konzeption ist das Forum für den Schmuck. Diese Beziehung zwischen Schmuck und Architektur, das Spiel der Materialen, die schwebenden Vitrinen, das ist mir außerordentlich wichtig. Das Gesamtkonzept muss stimmig sein. Und auch die Kunden schätzen dieses Ambiente. Sie finden über die Architektur einen Zugang zum zeitgenössischen Schmuck. Auch nach 15 Jahren gehe ich gerne in diese Galerie. Sie ist für mich – natürlich dank der Architekten – ein gelungener kleiner Würfel der Schönheit.
Wie sieht in diesem Würfel die ideale Kommunikation mit den Kunden aus?
Keiner kauft Schmuck wie Brot. Die Suche, die Einordnung, das Reflektieren – das ist ein Prozess. Es ist eine Reise zum Schmuck. Und oft wird Schmuck ja auch verschenkt. Es kommt also jemand zu mir, der selbst noch keine klare Vorstellung von dem hat, was er eigentlich möchte. Umso wichtiger ist dann das Gespräch. Manchmal zeigt mir ein Kunde ein Foto, damit ich mir ein Bild machen kann, welche Persönlichkeit den Schmuck tragen wird. Das sind oft schöne Begegnungen. Und wenn man am Ende richtig liegt, und sich der Beschenkte im Schmuckstück tatsächlich widerfindet, ist das eine große Freude. Es ist entspricht meinem Wesen, eine Idee zu materialisieren und zu formen.
Welches Schmuckstück, von dem Sie träumen, haben Sie noch nicht vollendet?
Ich könnte alles machen, was ich will. Aber ich muss nicht mehr das Collier mit hunderten von Steinen machen. Ich habe Spaß an Leichtigkeit, an schwebenden Dingen, an witzigen Verbindungen. Ich lebe im Jahr 2013 und möchte mir immer Schmuck einfallen lassen, der jetzt gültig ist.
Staunen, sagt Aristoteles, ist der erste Grund zur Philosophie. Welcher Schmuck versetzt Sie in Staunen?
Ich habe mir erst kürzlich in Berlin in dem von David Chipperfield sensibel renovierten Neuen Museum ägyptischen Schmuck angeschaut. Das lässt mich staunen: jahrtausendalte Schmuckstücke, die so fantastisch gearbeitet sind! In New York habe ich in der ägyptischen Abteilung des Metropolitan Museum –geschmiedete Goldreifen gesehen. Sie haben so viel Spannung und eine enorme Elastizität! Das ist wahre Kunst: Pures, weiches Gold so zu verarbeiten, dass es wie ein Kragen um den Hals steht. Das ist magisch.
Sie stehen selbst für Avantgarde, und die lebt von Brüchen und Veränderungen. Bezogen auf die Galerie: Was soll sich ändern, was darf so bleiben, wie es ist?
Ich bin mit dem Konzept der Galerie, räumlich wie konzeptionell, sehr zufrieden. Das darf ruhig bestehen bleiben. Aber ich werde mich sicherlich weiter verändern, neuen Strömungen offen gegenüber stehen und von experimentierfreudigen Künstlern inspirieren lassen. Meine Galerie soll immer ein frischer, lebendiger Ort sein. Ich mag Schwingungen.